Vandalismus

30 Jun 2013

Es gibt Dinge, die begreife ich einfach nicht. Im wahrsten Sinne des Wortes kann ich es nicht fassen, nicht erschließen und schon gar nicht nachvollziehen. Jeden Morgen, wenn ich auf meinen Bus warte, betrachte ich die stetig ansteigende Verwüstung rund um die Bushaltestelle. Es ist mir immer noch nicht klar, wie man persönliche Genugtuung daraus ziehen kann, einen Mülleimer aus der Verankerung zu treten. Es erschließt sich mir nicht, wie eine Gruppe gestrickt sein muss, in der man dafür Anerkennung erhält, dass man so lange auf eine Scheibe eintritt, bis sie zerspringt. Ich hab das schon nicht bei The Who verstanden, als Pete Townshend eine neue Form der Kunst ausrief, indem er Instrumente auf der Bühne zerdepperte. Ich erinnere mich noch genau, als während meiner Studienzeit in Gießen im Rahmen des Streiks an der Uni Aktionen geplant werden sollten. Einer rannte ans Mikro und wollte eine „Kaputt AG“ gründen, die nachts durch die Stadt zieht und „irgendwas kaputt macht“. Im Gegensatz zu den Bushaltestellenzerstörern fand seine Idee im akademischen Umfeld offensichtlich weniger Anhänger.

Doch zurück zum Punkt. Liegt es an meinem Alter, hab ich in meiner Jugend zu wenig erlebt, bin ich zu blöd oder zu wenig aufgeschlossen für neue Formen der Selbstverwirklichung. Ich sehe keinen Reiz darin etwas kaputt zu machen. Und eine Spur der Verwüstung an einem öffentlichen Ort anzurichten und noch mit Müll zu garnieren. Wenn das der einzige Weg ist, in unserer Welt Sichtbarkeit zu erzeugen, dann ist das auch an Armseligkeit nicht zu überbieten.

Damit komm ich wieder zu meinem Ursprungsgedanken zurück. Ich kann das einfach nicht verstehen. Ich sehe diese Verwüstung, kann mir das nicht erklären und werde so wütend darüber, dass ich grad irgendwas kaputtschlagen könnte.

Ist das vielleicht die Ursache – Wut aus Unverständnis? Kann man da ansetzen?

Muss ich noch mal drüber nachdenken.

/.

· · · ◊ ◊ ◊ · · ·
Join the Blue Ribbon Online Free Speech Campaign
Buch

John Searle:
Geist - Eine Einführung

Musik

Leonard Cohen:
Popular Problems